Vögel
Relevanz
Vögel eignen sich als Indikator für Biodiversität, da viele Vogelarten eng an bestimmte Lebensräume bzw. an bestimmte Habitatstrukturen gebunden sind. Anhand ihres Vorkommens oder Fehlens lassen sich auch Rückschlüsse auf die Lebensraumqualität schließen. Von rund 300 Brutvogelarten in Deutschland kommt knapp die Hälfte in Waldlebensräumen vor (Linke et al. 2025).
Vögel sind eine seit langem intensiv untersuchte Artengruppe, was zu einem hohen Kenntnisstand bzgl. ihrer Bio- und Ökologie führt. Gleichzeitig hat die Erfassung der Avifauna eine lange Geschichte und ist in hohem Maße standardisiert, was zu einer sehr guten Vergleichbarkeit von Erfassungsergebnissen führt (vgl. Südbeck et al. 2025). Zur umfangreichen fachlichen Kenntnis kommt das große gesellschaftliche Interesse. So führten bereits Publikationen Mitte des vorigen Jahrhunderts (z. B. Carson 1962) zu einer Sensibilität der breiten Bevölkerung für Naturschutzthemen am Beispiel der Vögel (Südbeck et al. 2025). Das Interesse ist ungebrochen und steigt weiter, was sich an der hohen Beteiligung an ehrenamtlich getragenen Monitoringprogrammen und Citizen Science Projekten manifestiert. So haben sich seit dem Start 2011 bei der Beobachtungsplattform ornitho.de über 50.000 ornithologisch Aktive angemeldet, mehrere tausend Personen beteiligen sich jährlich an den vom Dachverband Deutscher Avifaunisten e. V. (DDA) koordinierten Basisprogrammen des Vogelmonitorings in Deutschland.
Die mit den etablierten, standardisierten Vogelmonitoringprogrammen erhobenen Daten sind die Grundlage für nationale und internationale Berichtspflichten (EU VSRL, Natura2000, AEWA, CMS), die Erstellung der Roten Listen für Brut- und Gastvögel sowie europäische, nationale und landesweite Indikatoren (z. B. Indikator Artenvielfalt und Landschaftsqualität; www.bfn.de/indikator-artenvielfalt-und-landschaftsqualitaet und der EU common bird index des Pan European Common Bird Monitoring Scheme PECBMS; pecbms.info/).
Methodik und Praxistauglichkeit
Besonders geeignet für die Ziele von NaBioWald sind die auf jährlichen Erfassungen basierenden, langfristig ausgelegten Monitoringprogramme des DDA.
Das Monitoring häufiger Brutvogelarten (MhB; www.dda-web.de/monitoring/mhb/programm) wird deutschlandweit auf 2.637 Probeflächen (1 km2) durchgeführt (SPF-Flächen). Ca. 200 dieser Flächen gehören entsprechend der ursprünglichen Ziehung zur Schicht „Wald“ des Grundprogramms. Deutlich mehr Flächen, ca. 900, haben jedoch einen Waldanteil > 30 %. Eine leicht abgewandelte Form des MhB, die auf die Bedarfe insbesondere von Schutzgebieten ausgelegt ist, ist das MhB in Schutzgebieten (MhBS austausch.dda-web.de/s/monitoring-in-schutzgebieten). Dieses Programm eignet sich aufgrund seines flexibleren Erhebungsflächensets und seiner Anwendbarkeit auch auf kleineren Flächen besonders für einen weiteren Erhebungsflächenaufbau im Rahmen von NaBioWald. Einige Vogelarten werden mit MhB/MhB-S allerdings nur unzureichend erfasst. Dies kann ihrer Seltenheit, ihren Aktivitätsmustern, ihrer Verbreitung oder anderen ökologischen Faktoren geschuldet sein. Das Monitoring seltener Brutvögel (MsB; www.dda-web.de/monitoring/msb/programm) schließt diese Lücke und eignet sich aufgrund seines modularen Aufbaus sehr gut zur gezielten Ergänzung der Erfassungen im Rahmen von NaBioWald. Im Gegensatz zum MhB können Erfassungseinheiten im MsB frei gewählt werden, unterliegen also keiner zentral vorgegeben Kulisse. Damit ist das Erhebungsflächenset für die Ziele von NaBioWald flexibel erweiterbar. Im Januar 2025 bestand das seit 2020 angebotene und im Zusammenhang mit Waldlebensräumen besonders relevante „Specht“-Modul bereits aus über 1000 Erfassungseinheiten, das jüngere (seit 2023) „Kleineulen“-Modul aus knapp 200 Erfassungseinheiten.
Die Erfassungen in den Programmen werden durch die Beteiligung von tausenden Freiwilligen ehrenamtlich getragen. Die Koordination und Organisation wird vom DDA und seinen Mitgliedsverbänden in enger Zusammenarbeit mit den Fachbehörden von Bund und Ländern durchgeführt. Koordinative Strukturen auf Landesebene gewährleisten eine engmaschige Betreuung der Kartierenden sowie eine hohe Datenqualität. Die Organisation des bundesweiten Vogelmonitorings sowie die Dateninfrastruktur des DDA zur Erfassung, Darstellung und Verwaltung der Monitoringdaten bietet auch die Möglichkeit, gebietsbetreuende Einrichtungen und andere gewachsene Strukturen der forstlichen Erfassungsprogramme zielgenau und selbstverwaltet an der Datenerfassung zu beteiligen.
In der Praxis hat sich das Vogelmonitoring in dieser Form seit rund 20 Jahren bewährt. Die etablierten Programme, ihre Stichprobenkulissen, die digitale Dateninfrastruktur (Online-Plattform ornitho.de, Erfassungsapp NaturaList) und die Erfahrung des DDA in der Organisation und Koordination großer Erfassungsprogramme bieten geeignete Ausgangspunkte für eine Integration in NaBioWald und ggf. einen gezielten Ausbau der Erfassung von Waldvogelarten für eine umfassende, treiberbezogene Berichterstattung. Hierfür müssen vorhandene Erfassungskulissen des Vogelmonitorings u. a. mit denen des forstlichen Umweltmonitorings des Thünen-Instituts für Waldökosysteme (TI-WO) abgeglichen werden, um ggf. bereits überlappende Probeflächen zu identifizieren. Auf dieser Grundlage kann eingeschätzt werden, ob die bestehenden Probeflächen für die Ziele von NaBioWald bereits ausreichen oder ob diese ggf. erweitert werden müssen. Ein ausreichendes gemeinsames Erhebungsflächenset und eine entsprechende Datengrundlage sind maßgeblich für das gemeinsame Ziel einer treiberbasierten Auswertung, um Zusammenhänge zwischen Waldstruktur und -management mit dem Vorkommen und der Abundanz von Vogelarten zu untersuchen und damit die bereits vorhandenen Informationen zu Waldvögeln (z. B. Teilindikator Wald des Indikators Artenvielfalt und Landschaftsqualität) sinnvoll zu ergänzen. Die Förderung der vorbereitenden Arbeitsschritte in einem Entscheidungshilfevorhaben erfolgt im Jahr 2025 aus Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) aufgrund eines Beschlusses des deutschen Bundestages. Die Projektträgerschaft liegt bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE), Förderkennzeichen 2824HS004.
Erhebungsflächen
In Übereinstimmung mit den Erhebungen zu den Gefäßpflanzen sowie Moosen und Flechten sollen häufige Brutvögel (MhB) auf den 200 Wald-SPF-Flächen, 68 Level II-Flächen und den 200 Zusatz-Flächen erfasst werden. Grundsätzlich eignen sich für die mobilen Vogelarten aber alle MhB-Flächen mit Waldanteil zur Integration in NaBioWald. Daher wird geprüft, rund 900 zusätzliche MhB-Flächen mit einem Waldanteil von mind. 30 % einzubeziehen, um die Auswertungsbreite zu erhöhen. Die Erfassungseinheiten der MsB-Module „Spechte“ und „Kleineulen“ sind zusätzlich generell geeignet, wobei hier ggf. eine Mindestgröße an zusammenhängendem Wald definiert werden sollte. Für eine Erfassung dieser Artengruppen können im Rahmen von NaBioWald ebenfalls weitere Erfassungseinheiten angelegt werden.
Der räumliche Abgleich mit weiteren Monitoringprogrammen (etablierte forstliche und faunistische Programme) und die ggf. erforderliche Erweiterung des Erhebungsflächensets erfolgt im Rahmen o. g. Entscheidungshilfevorhabens im laufenden Jahr.
Aufwand
Erste vorbereitende Schritte sind durch das o. g. Entscheidungshilfevorhaben “Integration bestehender Vogelmonitoringprogramme in das Nationale Biodiversitätsmonitoring im Wald (Vögel-NaBioWald)” (FKZ 2824HS004) bereits finanziert.
Die Vogelerfassungen innerhalb der Monitoringprogramme werden ehrenamtlich durchgeführt, weshalb für die Datenerhebung im Gelände keine grundsätzlichen Mehrkosten anfallen. Durch die Integration des bestehenden Vogelmonitorings wird dieser Mehrwert in NaBioWald eingebracht.
Die digitale Infrastruktur (ornitho.de/NaturaList) wird vom DDA bereitgestellt. Für die langfristige Nutzung der etablierten Vogelmonitoringprogramme in NaBioWald bedarf es einer Finanzierung des jährlichen Koordinations- und Organisationsaufwandes sowie der Bereitstellung der Dateninfrastruktur (insbesondere Verwaltung bestehender Daten, Organisation des Ausbaus weiterer Kulissen) in Abstimmung mit dem Vogelmonitoring in Bund und Ländern und einer regelmäßigen Auswertung. Die organisatorische Zuordnung der Gesamtkoordination, -organisation, Datenhaltung und -auswertung beim DDA wird vorgesehen.
- Carson R (1962) Silent Spring. Houghton Mifflin Company, Boston
- Linke T J, Georg M, Schröder K, Schikore T, Andretzke H (2025) Zeitaufwand für avifaunistische Erfassungen. In Südbeck P, Andretzke H, Fischer S, Gedeon K, Pertl C, Linke T J, Georg M, König C, Schikore T, Schröder K, Dröschmeister R, Sudfeldt C (2025) Methodenstandards zur Erfassung der Brutvögel Deutschlands. p 17-26. Münster
- Mitschke A, Sudfeldt C, Heidrich-Riske H, Droschmeister R (2005) Das neue Brutvogelmonitoring in der Normallandschaft Deutschlands – Untersuchungsgebiete, Erfassungsmethode und erste Ergebnisse. Vogelwelt 126:127-140
- Südbeck P, Andretzke H, Fischer S, Gedeon K, Pertl C, Linke T J, Georg M, König C, Schikore T, Schröder K, Dröschmeister R, Sudfeldt C (2025) Methodenstandards zur Erfassung der Brutvögel Deutschlands. 1. Überarbeitete Auflage. Münster
- Südbeck P, Fischer S, Pertl C, Linke T J, Sudfeldt C (2025) Brutvogelerfassungen in Deutschland lange Tradition – viele Akteure – verschiedene Ziele. In Südbeck P, Andretzke H, Fischer S, Gedeon K, Pertl C, Linke T J, Georg M, König C, Schikore T, Schröder K, Dröschmeister R, Sudfeldt C (2025) Methodenstandards zur Erfassung der Brutvögel Deutschlands. p 17-26. Münster