Gefäßpflanzen
Relevanz
Die Gefäßpflanzen sind die wichtigste funktionelle Gruppe der Produzenten. Als eine artenreiche Organismengruppe, die Habitat und Nahrungsressourcen für zahlreiche andere Artengruppen bietet, sind sie ein zentrales Element der Biodiversität in Waldökosystemen. Für ihre Erfassung gibt es bereits seit langem etablierte Aufnahmeverfahren und aus zahlreichen Erhebungen liegen bereits Zeitreihen vor. Entsprechende Expertise zur Artengruppe der Gefäßpflanzen besteht an zahlreichen Stellen und bei einer großen Zahl von in Wissenschaft und Praxis tätigen Personen.
Gefäßpflanzen haben zugleich einen hohen Indikatorwert. Verschiedene Zeigerartenlisten (Ellenberg et al. 2001; Schmidt et al. 2011) sind etabliert und Zeitreihen belegen die Veränderungen der Artenzusammensetzung in Folge von Habitatveränderungen. Einen indikatorischen Wert zeigen die Gefäßpflanzen gegenüber zahlreichen Einflussgrößen. Dazu zählen beispielsweise die Standortbedingungen wie das Makro- (Temperatur, Kontinentalität) und Waldinnenklima (Waldartenlisten) oder die jeweiligen Bodeneigenschaften (Feuchte, Reaktion, Makronährstoffangebot), Bewirtschaftungs- und Meliorationsmaßnahmen (z. B. Bodenschutzkalkung) oder auch der Eintrag von Luftschadstoffen (insbesondere Stickstoff, Pestizide entlang der Wald-Feld-Grenzen) (Ellenberg und Leuschner 2010, Härdtle et al. 2008). Auch Habitatkontinuität sowie die Auswirkungen historischer Waldnutzungsformen wie Nieder- und Mittelwaldwirtschaft und Waldweide zeigen sich besonders durch das Vorkommen bestimmter Indikatorarten unter den Gefäßpflanzen.
Etablierte Monitoring-Programme im Wald liegen bereits aus der Bundeswaldinventur (BWI) (nur für die Baumarten) und ihrer Unterstichprobe der Kohlenstoffinventur (CI), der Bodenzustandserhebung (BZE) bzw. Waldzustandserhebung (WZE) als Stichprobennetz, den repräsentativen Auswahlflächen der Level-II-Flächen und verschiedenen FFH-Kartierungen in einzelnen Bundesländern (auch hinsichtlich der Verbissaufnahmen bzw. dem Wildeinflussmonitoring), Biotoptypenkartierungen sowie aus den Schutzgebieten wie Naturwäldern, Flächen des Nationalen Naturerbes oder Nationalparken vor.
Methodik und Praxistauglichkeit
Unter dem Aspekt der Biodiversitätserfassung sind Vegetationsaufnahmen die gängige Methode, verlässliche Aussagen zu Gefäßpflanzen, Farnen und Moosen zu gewinnen. Die Vegetationsaufnahme in Form von Dauerbeobachtungsflächen wird daher für das Monitoring der Gefäßpflanzen, inkl. der bodenbewohnenden Kryptogamen, als sehr geeignet angesehen, weil es sich hier um eine einfach durchzuführende sowie reproduzierbare Methode handelt und Veränderungen der Vegetation damit gut angezeigt werden. Die Vegetationsaufnahme ist eine Stichprobe zur Erfassung der floristischen Zusammensetzung und Bestandesstruktur (Dierschke 1994, Fischer 2003, Tremp 2005).
Die Durchführung der Vegetationsaufnahmen erfolgt im Anhalt an die klassischen Vegetationsaufnahmen nach Braun-Blanquet mit einer erweiterten Deckungsgradklassifizierung anhand der Londo-Skala (Londo 1976). Die Aufnahme erfolgt getrennt für die
- Erste Baumschicht (über 5 m über 2/3 der Bestandesoberhöhe)
- Zweite Baumschicht (über 5 m bis 2/3 der Bestandesoberhöhe)
- Strauchschicht (0,5 bis 5 m)
- Krautschicht einschließlich der Gehölzverjüngung (bis 0,5 m)
- Moosschicht (bodenbewohnende Moose und Flechten)
auf einer Probefläche Probekreis von 400 m² (z. B. als Quadrat mit einer Seitenlänge von 20 m oder als Kreisfläche mit einem Radius von 11,28 m). Damit ist die Flächengröße analog den Aufnahmen bei der Bodenzustandserhebung und im Rahmen von Empfehlungen für Vegetationsaufnahmen in Wäldern von Fischer (2003), Tremp (2005) und etwas über der Empfehlung von Dierschke (1994) und Chytrý und Otýpková (2003).
Die Aufnahmen werden in einem Aufnahmebogen erfasst. Ergänzt werden die Aufnahmen auf der Probefläche durch eine Artenliste aus einem Schlaufenlauf (z. B. nach dem Muster der Caroline Vegetation Survey (Peet et al. 2012), um die Fläche der Vegetationsaufnahme mit einem begrenzten Zeitintervall von 20 Minuten, bei der alle beobachteten Pflanzenarten notiert werden. Diese Artenliste kann genutzt werden, um Informationen zum Landschaftskontext herauszustellen. Informationen zu Gehölzarten liefert weiterhin die Bundeswaldinventur. Die Daten dieses Moduls können auch dazu dienen, Auskünfte über die Nahrungsgrundlagen von Vögeln, Insekten oder Bodenorganismen an dem Punkt zu generieren.
Aus den gewonnenen Daten können Vergesellschaftung und Verbreitung der Pflanzenarten unter Berücksichtigung verschiedenen Einflussgrößen beschrieben und mit anderen am selben Plot erfassten Artengruppen (v.a. Insekten, Bodenlebewesen) korreliert werden. Dabei lassen sich Artengruppen wie die Neophyten, Störungszeiger oder andere spezifische Indikatorarten (Ellenberg-Zeigerwerte, Waldarten, Rote Liste-Arten; Ellenberg et al. 2001, Schmidt et al. 2011) herausgreifen. Die Aufnahmen bieten die Basis für daran anknüpfende Untersuchungen zur genetischen Diversität einzelner Arten. Die Vegetationsaufnahmedaten können Vegetationseinheiten (Vegetationstypen nach Rennwald et al. 2000, Waldlebensraumtypen nach Ssymank et al. 1998, 2022) zugeordnet werden.
Zur Abschätzung der beeinflussenden Faktoren sollten weitere Parameter wie die Lichtverhältnisse (aus Hemisphärenfotografie und Laserscanning), Bodentyp und Ausgangsgestein, bodenchemische (pH, Basensättigung, C/N-Verhältnis) und -physikalische Kennwerte (Bodenart, nutzbare Feldkapazität), aktuelle Nutzungsform (z. B. im Zusammenhang mit dem ForMIX, Kahl und Bauhus 2014), historische Nutzung (z. B. als Hinweis auf alte Waldstandorte, Glaser und Hauke 2004) und Umgebungsparameter aus Fernerkundungsdaten herangezogen werden.
Erhebungsflächen
Ergänzend zu den bereits im Rahmen der Bodenzustandserhebung (BZE, 1800 Flächen, Turnus: 10 bis 15 Jahre) und auf Level II-Flächen (68 Flächen, Turnus: ca. 5 Jahre) durchgeführten Aufnahmen sind zusätzlich im Rahmen von NaBioWald im Turnus von fünf Jahren zunächst Vegetationsaufnahmen an den Punkten des Insektenmonitorings im Wald geplant. Dies umfasst 200 „Wald“-Flächen auf dem Netz der systematischen Flächenstichprobe (SPF, 1 km²), die der Landnutzungsklasse Wald zugeordnet sind (Waldflächen als Mittelpunkt). Zur Abbildung des Bewirtschaftungsgradienten und des Einflusses von natürlicher Entwicklung auf ungenutzten Flächen sind 200 Zusatz-Aufnahmeflächen mit standörtlicher Differenzierung vorgesehen (100 Flächen im Bewirtschaftungsgradient, 100 Flächen in ungenutzten Wäldern). Damit findet die Gefäßpflanzen-Erhebung auf insgesamt 2.268 Flächen mit Gesamtaufnahmen und zusätzlich auf ca. 80.000 Flächen der Bundeswaldinventur (BWI, nur Baumarten-Information) statt.
Aufwand
Für eine einzelne Vegetationsaufnahme nach dem vorgesehenen Design einschließlich einer Artenliste aus einem Schlaufenlauf um den Probepunkt sind im Durchschnitt 2 bis 2,5 Stunden (+ Fahrtkosten und Fahrzeit) zu veranschlagen.
- Chytrý M, Otýpková Z (2003) Plot sizes used for phytosociological sampling of European vegetation, Journal of Vegetation Science, 14(4):563-570, https//doi.org/10.1111/j.1654-1103. 2003.tb02183.x
- Dierschke H (1994) Pflanzensoziologie. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart 683 p
- Ellenberg H, Leuschner C (2010) Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen, 6. Auflage, Verlag Eugen Ulmer,Stuttgart, 1334 p
- Ellenberg H, Weber H E, Düll R, Wirth V, Werner W (2001) Zeigerwerte von Pflanzen in Mitteleuropa. 3. Aufl. Bd.18. Scripta geobotanica, Göttingen
- Fischer A (2003) Forstliche Vegetationskunde, 3. Auflage, Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart, 421 p
- Fischer H S (2015) On the combination of species cover values from different vegetation layers, Applied Vegetation Science 18 (1) 169–70. https//doi.org/10.1111/avsc.12130
- Glaser F, Hauke U (2004) Historisch alte Waldstandorte und Hutewälder in Deutschland. Angewandte Landschaftsökologie 61, Münster, 193 p
- Härdtle W, Ewald J, Hölzl N (2008) Wälder des Tieflandes und der Mittelgebirge, Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart,252 p
- Jansen F, Dengler J (2008) German SL – eine universelle taxonomische Referenzliste für Vegetationsdatenbanken.Tuexenia 28:239-253
- Kahl T, Bauhus J (2014) An index of forest management intensity based on assessment of harvested tree volume,tree species composition and dead wood origin. Nature Conservation 7:15–27. https//doi.org/10.3897/natureconservation.7.7281
- Londo G (1976) The decimal scale for releves of permanent quadrats. Vegetation, The Hague, 33(1):61-64
- Meyer P, Brössling S, Bedarff U, Schmidt M, Fricke C, Tewes C (2018) Monitoring von Waldstruktur und Vegetation in hessischen Naturwaldreservaten. Stand Oktober 2018. – Arbeitsanleitung Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt (Hrsg.), Göttingen, 63 p
- Peet R K, Lee M T, Boyle M F, Wentworth T R, Michael P, Schafale M P, Weakly A S (2012) Vegetation-plot database of the Carolina Vegetation Survey. Biodiversity & Ecology 4:243-253. https//doi.org/ 10.7809/b-e.00081
- Rennwald E (2000) Verzeichnis und Rote Liste der Pflanzengesellschaften Deutschlands. Schriftenreihe für Vegetationskunde, Bonn-Bad Godesberg, 800 p
- Schmidt M, Kriebitzsch W U, Ewald J (2011) Waldartenlisten der Farn- und Blütenpflanzen, Moose und Flechten Deutschlands Bd. 299. BfN-Skripten. Bonn-Bad Godesberg Bundesamt für Naturschutz
- Ssymank A, Hauke U, Rückriem C, Schröder E (1998) Das europäische Schutzgebietssystem NATURA 2000 BfN-Handbuch zur Umsetzung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (92/43/WG) und der Vogelschutzrichtlinie (79/409/EWG). 1. Aufl. Schriftenreihe für Landschaftspflege und Naturschutz, Heft 53. Bonn-Bad Godesberg Bundesamt für Naturschutz, 795 p
- Ssymank, A, Ellwanger, G, Ersfeld, M, Ferner, J, Idilbi, I, Lehrke, S, Müller, C, Raths, U, Röhling M, Vischer-Leopold M (2022) Das europäische Schutzgebietssystem Natura 2000 BfN-Handbuch zur Umsetzung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (92/43/EWG) und der Vogelschutzrichtlinie (2009/147/EG). 2. Aufl, Naturschutz und Biologische Vielfalt Heft 172(2.2). Bonn-Bad Godesberg Bundesamt für Naturschutz, 898 p
- Tremp H (2005) Aufnahme und Analyse vegetationsökologischer Daten, Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart, 141