Waldbewirtschaftung und Managementintensität
Die Waldstruktur bestimmt die Verfügbarkeit von Lebensräumen und Ressourcen für viele Arten, wie z. B. Totholz als Nahrungsgrundlage für saproxyle Organismen, und ist daher sehr bedeutsam für die Biodiversität (Hilmers et al. 2018, Penone et al. 2019, Heidrich et al. 2020, Zeller et al. 2023). Da die Waldbewirtschaftung neben natürlichen Störungen die Waldstruktur maßgeblich beeinflusst, ist sie eine entscheidende Einflussgröße für die Biodiversität. Bewirtschaftungsmaßnahmen wie Pflanzung, Durchforstung und Ernte von Bäumen sind nicht nur vielgestaltig, sondern wirken auch auf unterschiedlichen räumlichen Ebenen (Skalen), vom Einzelbaum bis hin zur Landschaft. Informationen zu Störungen, als Einfluss auf Bestandesstruktur und Biodiversität (Faktencheck Artenvielfalt 2024) erhalten wir aus den bestehenden Monitoringprogrammen (z. B. Level II), aus Berichten der Bundesländer (z. B. Waldschutzaufnahmen) sowie flächendeckend aus der Fernerkundung.
Auf der Landschaftsebene ist insbesondere die Frage bedeutsam, in welcher räumlichen Konstellation sich ein Waldgebiet befindet, d.h. ob ein Wald einer bestimmten Struktur in eine ausgedehnte Waldlandschaft eingebettet oder unmittelbar von landwirtschaftlich genutzten Flächen umgeben ist. Ebenfalls auf der Landschaftsebene wirkt die Waldbewirtschaftung entweder homogenisierend oder betont die Heterogenität der verschiedenen Bestände (Müller et al. 2023). So hat sich gezeigt, dass Landschaften, die durch eine große Unterschiedlichkeit der Waldstruktur auf Landschaftsebene geprägt sind, förderlich für die Artenvielfalt zu sein scheinen (Schall et al. 2018a, Uhl et al. 2024).
Auf der Bestandesebene wirkt die Waldbewirtschaftung direkt auf die Baumartenzusammensetzung, die vertikale und horizontale Bestandesstruktur sowie das Vorhandensein von Totholz und Habitatbäumen. Hinsichtlich der Baumartenzusammensetzung hat sich ergeben, dass für phytophage Insekten- und Milbenarten insbesondere Pioniergehölze, z. B. der Gattungen Salix und Populus, wichtig sind (Brändle und Brandl 2001). Für die Insektenvielfalt besonders bedeutsame Arten sind zudem die Stiel- und die Traubeneiche (Brändle und Brandl 2001, Leidinger et al. 2019, Zeller et al. 2023). In vielen Fällen wirkt sich eine Erhöhung der Diversität der Baumarten positiv auf die Biodiversität im Allgemeinen aus (vgl. Leidinger et al. 2021), aber mitunter bleiben solche Effekte auch aus (vgl. Glatthorn et al. 2023) oder es kommt lediglich zu einer Verschiebung der Zusammensetzung der Lebensgemeinschaft. Grundsätzlich gilt, dass einheimische Baumarten eine typischere Fauna beherbergen als eingeführte Baumarten, die vorwiegend von Generalisten besiedelt werden (Schuch et al. 2024). Die vertikale und horizontale Bestandesstruktur ergibt sich durch die Anordnung der lebenden Biomasse. Aufgrund der unterschiedlichen Ansprüche der Arten, wirken sich bestimmte Strukturen nicht grundsätzlich positiv oder negativ auf die Biodiversität aus. Während viele Artengruppen beispielsweise von Kronenöffnungen profitieren (vgl. Hilmers et al. 2018, Edelmann et al. 2022, Perlík et al. 2023) sind andere davon negativ betroffen (Jungebauer et al. 2024, Staab et al. 2024). Für die Biodiversität besonders bedeutsame Strukturelemente, die von der Waldbewirtschaftung beeinflusst werden, stellen Habitatbäume, d. h. Bäume, die durch besondere Mikrohabitate gekennzeichnet sind (Winter und Möller 2008), und Totholz dar (Larrieu et al. 2012, Asbeck et al. 2021). Hinsichtlich des Totholzes hat sich gezeigt, dass neben der Menge vor allem eine hohe Diversität des Totholzes hinsichtlich Baumart, Dimension und Exposition ein wichtiger Faktor für die Biodiversität ist (vgl. Müller et al. 2015, Seibold et al. 2016). Besonders viele Mikrohabitate finden sich an alten und dicken Bäumen (Vuidot et al. 2011), über deren Verbleib oder Entnahme im Zuge der Waldbewirtschaftung entschieden wird.
Für eine Einschätzung der Wirkungen der Waldbewirtschaftung auf die Biodiversität eignen sich Indizes zur Quantifizierung der Managementintensität, von denen gezeigt wurde, dass sie, je nach analysierter taxonomischer Gruppe, positiv oder negativ mit der Artenvielfalt korreliert sind (Gossner et al. 2014, Asbeck et al. 2021). Der große Vorteil solcher Indizes besteht darin, dass sie es erlauben, den Einfluss der Waldbewirtschaftung entlang eines Gradienten der Bewirtschaftungsintensität abzubilden und nicht nur die häufig verwendeten Kategorien „bewirtschaftet/unbewirtschaftet“ zu nutzen, deren Aussagekraft sehr gering ist, da sich waldbauliche Eingriffe hinsichtlich Art, Intensität und Frequenz erheblich unterscheiden können. Es
kann daher erforderlich sein, gezielt neue Flächen für das Biodiversitätsmonitoring vorzusehen, um einen vollständigen Gradienten der Bewirtschaftungsintensität abzubilden.
Für die Erfassung der Einflussgröße Waldbewirtschaftung wird im Rahmen des hier vorliegenden Konzepts der von Staab et al. (2025) entwickelte Index ForMIX vorgeschlagen. Er berechnet sich aus den vier Komponenten
- Baumartenzusammensetzung
- Baumentnahmen
- Verfügbarkeit von Totholz und
- Vorkommen alter, dicker Bäume im Vergleich zu unbewirtschafteten Wäldern.
Vorgeschlagener Einflussparameter: Management-Intensitätsindex ForMIX (ohne Dimension)
Datenquellen: Wiederholte Waldstrukturaufnahmen, z. B. in der Bundeswaldinventur, Bodenzustandserhebung, Level II, Naturwaldreservate, zusätzlich: SPF-Flächen, NLP, BDF, NNE sowie neue Ergänzungsflächen
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