Pflanzenschutzmittel (optionaler Einflussfaktor)
Als Pflanzenschutzmittel (PSM) werden Stoffe für den Schutz von Pflanzen vor Schadorganismen wie Tieren, Pflanzen oder Mikroorganismen bezeichnet. Sie können direkt durch die Anwendung im Wald oder indirekt durch die landwirtschaftliche Anwendung in der Nähe vom Waldrand und windgetriebene Transportprozesse in den Wald gelangen und potenziell die Waldbiodiversität beeinflussen.
Pflanzenschutzmittel werden in Wäldern wesentlich seltener eingesetzt als in der Landwirtschaft (Ammer et al. 2009) und beschränken sich auf wenige Anwendungen im Sinne des integrierten Plfanzenschutzes (Bräsicke et al. 2025a). Im Zeitraum von 2015 bis 2020 wurden insgesamt 13.675 ha Landeswald mit PSM behandelt (2.279 ha pro Jahr, ≈ 0,4 % Fläche, Bräsicke et al. 2025a). Demgegenüber werden in Deutschland rund 12 Mio. ha für Ackerbau genutzt und größtenteils mit PSM behandelt (7,3 kg PSM pro ha und Jahr nach UBA 2024). Verdriftete oder atmosphärisch transportierte PSM lassen sich großflächig in Gebieten mit Bedeutung für den Naturschutz und in Wäldern nachweisen, die an landwirtschaftliche Flächen angrenzen (Brühl et al. 2021, Mauser et al. 2025). Die landwirtschaftlich verwendeten Insektizide, Herbizide und Fungizide sind beschränkt selektiv und bergen Risiken für den Naturhaushalt einschließlich vieler Nichtzielarten (Wan et al. 2025). Mögliche Folgen sind der Verlust oder die Beeinträchtigung wichtiger Ökosystemfunktionen wie Bestäubung oder Nährstoffrecycling (Wirth et al. 2024). Erschwerend kommt hinzu, dass einzelne Wirkstoffe wie Imidacloprid, Azoxystrobin, Pendimethalin oder ihre Abbauprodukte als Mischungen im Boden verbleiben und über die Jahre hohe Konzentrationen aufbauen können (Jones et al. 2014, Knuth et al. 2024). Daraus können langfristige Belastungen für die Bodenbiodiversität resultieren. Erste Daten zum Verbleib und zum Abbau insektizider Wirkstoffe aus der direkten Anwendung in Kiefernwäldern auf verschiedene Umweltkompartimente wurden von Bräsicke et al. (2025b) erhoben. Diese ermöglichen eine Bewertung der Exposition und Risiken für ausgewählte Nutzinsekten und Singvögel. Verlässliche Zahlen, die eine Bewertung der Exposition und Risiken der landwirtschaftlich eingesetzten PSM auf die verschiedenen Organismengruppen im Wald zulassen, fehlen gegenwärtig. So sind Daten und Informationen zum Einsatz, zum Transport in Nicht-Ziel Ökosysteme und zur Toxizität gegenüber Nicht-Zielorganismen und -gemeinschaften unzureichend. Um die zeitliche Entwicklung der Biodiversität in Ökosystemen, inklusive der Wälder zu erfassen und zu verstehen, sind deshalb verlässliche Daten zum Einfluss von PSM erforderlich.
Um die Belastung der Waldökosysteme durch direkte Pflanzenschutzmaßnahmen zu charakterisieren, werden unterschiedliche Ansätze diskutiert. Wasser- und Luftproben erlauben einen Nachweis des Eintrags von Stoffen in den Wald und liefern erste Hinweise zur Belastung. Zudem zeigen sie die zeitliche Entwicklung von Einträgen auf. Um Konzentrationen der gemessenen Substanzen direkt hinsichtlich ihrer möglichen Effekte auf Wirbellose, Pflanzen oder Mykorrhiza zu beurteilen, sind Proben des Waldbodens oder die direkte Extraktion aus Organismen notwendig. Aufgrund der komplexen Sachverhalte bestehen aber noch Wissenslücken im Bereich der chemischen Analytik, um die Wirkung der PSM-Substanzen erfassen zu können.
Für eine Berücksichtigung der PSM im Biodiversitätsmonitoring sollen daher in einer Pilotstudie zum einen erste Daten zu den Einträgen erzeugt werden und Messmethoden zur Quantifizierung relevanter Stoffe im Boden und Organismen weiterentwickelt werden. Aufbauend auf den Ergebnissen dieser Pilotstudie können Erhebungsdesign und Flächenkulisse für das Monitoring angepasst werden.
Vorgeschlagene Einflussparameter (als mögliche Ergänzung in NaBioWald): Konzentration ausgewählter PSM-Substanzen (Auswahl der Substanzen und des Probendesigns nach Abschluss des Pilotprojekts)
(Mögliche) Datenquellen: Messungen auf Level II-Flächen und weiteren exponierten Flächen (Auswahl nach Ergebnissen der Pilotstudie).
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