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Luftverunreinigungen

Als Luftverunreinigungen bezeichnet man Stoffe, die über die Atmosphäre transportiert werden und schädliche Auswirkungen auf die Umwelt wie z. B. Waldökosysteme und ihre biologische Vielfalt haben. Hierzu zählen Stickstoff- und Schwefeleinträge, aber auch Stäube, Ozon oder Schwermetalleinträge.

Zur Analyse des Einflusses von Luftverunreinigungen auf die Biodiversität ist es notwendig, Stoffeinträge in den Wald zu erfassen. Die Auswirkungen der Einträge hängen auch von abpuffernden oder verstärkenden Bodeneigenschaften ab. Hierfür kann auf das forstliche Umweltmonitoring zurückgegriffen werden, das in das Internationale Kooperationsprogramm zur Erfassung und Überwachung der Auswirkungen von Luftverunreinigungen auf Wälder (ICP Forests) eingebunden ist (Michel et al. 2024). Das forstliche Umweltmonitoring ist ein abgestimmtes System aus wiederholten extensiven Rasternetz-Erhebungen (BZE /Bodenzustandserhebung, Level I; ca. 1800 Flächen) und dem intensiven forstlichen Umweltmonitoring an Level-II-Flächen (Wellbrock et al. 2019, 68 Flächen). Für die Level-II-Flächen liegen kontinuierliche Messungen der Deposition (Kronentraufe, Stammabfluss und Freifläche) vor, aus denen Gesamtdepositionsraten abgeleitet werden (Krüger et al. 2020, 2024). Für Bodenmonitoringflächen ohne Depositionsmessung wie z. B. der BZE besteht die Möglichkeit auf modellierte Werte zur Deposition (Raten in kg ha-1 a-1) aus dem PINETI-Projekt zurückzugreifen. Im Rahmen von PINETI-4 sind modellierte atmosphärische Stoffeinträge von 2000 bis 2019 publiziert (Kranenburg et al 2024), wobei z. T. auftretende Abweichungen noch näher untersucht und die Modelldaten anhand der Messungen validiert werden.

Für die Biodiversität im Wald sind besonders Einträge von Ammonium-Stickstoff (N-NH4) und Nitrat-Stickstoff (N-NO3) von Relevanz. Der Eintrag von Stickstoff in Ökosysteme und die damit verbundene Eutrophierung gilt als eine der größten Bedrohungen für die Artenvielfalt (UBA, 2014; BMUNR 2017; Wirth et al. 2024). Die Einträge sind in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen, wobei sich der Eintrag von N-NO3 stärker verminderte (-32 % verglichen zu 2013) als jener von N-NH4 (-18 % verglichen zu 2013, eigene Berechnungen). Generell sind jedoch weiterhin nahezu alle Wälder in Deutschland von Stickstoffeinträgen betroffen, die deutlich über den vorindustriellen Eintragsraten aus natürlichen Quellen von 2 bis 3 kg ha-1 a-1 (BAFU 2022) liegen. Die aktuellen Einträge unterscheiden sich je nach Region und Landnutzung: Der 10-Jahresmittelwert der Gesamteinträge an anorganischem Stickstoff in Wälder liegt an Level-II-Flächen zwischen 8,8 und 28,8 kg N ha-1 a-1. Durch den Auskämmeffekt der Blätter bzw. Nadeln sind die Stickstoffeinträge in Waldökosysteme deutlich höher als auf Freiflächen (für Level-II-Flächen ca. 1.6–4,4-mal höher, Thünen-Institut, eigene Berechnungen).

Neben den Nährstoffeinträgen wirkt sich auch der Säureeintrag auf die Standorteigenschaften und mittelbar auf die Biodiversität im Wald aus. Hierbei ist auch der Schwefeleintrag zu berücksichtigen. Der größte Teil des Schwefels liegt in der Atmosphäre als Schwefeldioxid vor, und wird als Sulfat (S-SO4) in den Wald eingetragen. Der Schwefeleintrag ist seit Mitte der 1980er Jahre durch die Entschwefelung von Rauchgasen stark zurückgegangen. In der Zeit von 2013 bis 2022 hat sich der Eintrag, verglichen mit 2013, um weitere 48 % reduziert. Der 10-Jahresmittelwert des Sulfateintrags liegt auf den Level-II-Flächen zwischen 1,0 und 11,6 kg S-SO4 ha-1 a-1)

Durch hohe Stickstoff- und Schwefeleinträge haben an vielen Waldstandorten in der Vergangenheit die Säureeinträge die Pufferkapazität der Böden überschritten. Durch Luftreinhaltemaßnahmen konnte erreicht werden, dass der Anteil an Ökosystemen, die von Versauerung bedroht sind, inzwischen zurückgeht. Die Erholung der Standorte ist jedoch ein langsamer Prozess (Johnson et al. 2018), sodass historische Einträge sich nach wie vor auf Bodeneigenschaften und Nährstoffverfügbarkeit auswirken können.

Auswirkungen von Stickstoffeinträgen sind insbesondere auf Flechten und Moose sowie die Gefäßpflanzen der Bodenvegetation hinsichtlich Vorkommen und Zusammensetzung zu erwarten (Dirnböck et al. 2014, van Dobben und De Vries 2017). Neben Daten zu Stoffeinträgen und Standorteigenschaften kann zur Analyse der Zusammensetzung der Bodenvegetation auch eine Erfassung der Lichtverhältnisse im Bestand sinnvoll sein, da für viele Pflanzenarten im Wald die Lichtbedingungen die Reaktion auf Stickstoffeinträge beeinflussen (Bernhardt-Römermann et al. 2015).

Weitere Substanzen, die Luftverunreinigungen hervorrufen, wie Stäube, Ozon oder Schwermetalleinträge, wirken ebenfalls auf empfindliche Pflanzenarten wie z. B. Flechten. Hinweise auf quantitative Wirkungen dieser Substanzen auf die gesamte Biodiversität im Wald gibt es allerdings bislang kaum.

Vorgeschlagene Einflussparameter: Gesamt-N-Depositionsrate (Raten in kg ha-1 a-1), SO4-Depositionsrate
(Raten in kg ha-1 a-1)

Datenquellen: Level II-Flächen (Messungen), Flächendeckende Modellierung (PINETI 4) für alle anderen
Monitoringstandorte (nach Validierung mit Messungen)

  • Bernhardt-Römermann M, Baeten L, Craven D, De Frenne P, Hédl R, Lenoir J, Bert D, Brunet J, Chudomelová M, Decocq G, Dierschke H, Dirnböck T, Dörfler I, Heinken T, Hermy M, Hommel P, Jaroszewicz B, Keczyński A, Kelly D L, Kirby K J, Kopecký M, Macek M, Máliš F, Mirtl, Mitchell F J G, Naaf T, Newman M, Peterken G, Petřík P, Schmidt W, Standovár T, Tóth Z, Van Calster H, Verstraeten G, Vladovič J, Vild O, Wulf M, Verheyen K(2015) Drivers of temporal changes in temperate forest plant diversity vary across spatial scales. Global Change Biol. 21:3726-3737. https//doi.org/10.1111/gcb.12993
  • Bundesamt für Umwelt [BAFU] (2022) Weshalb zu viel Stickstoff den Wald krank macht. Online-Dossier unter https//www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/wald/dossiers/stickstoff-wald.html (Zugriff 05.10.2024)
  • Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit [BMUNR] (2017) Stickstoffeintrag in die Biosphäre. Erster Stickstoff-Bericht der Bundesregierung. BMUNR, Berlin, 24 p
  • Dirnböck T, Grandin U, Bernhardt-Römermann M, Beudert M, Canullo R, Forsius M, Grabner M-T, Holmberg M, Kleemola S, Lundin L, Mirtl M, Neumann M, Pompei E, Salemaa M, Starlinger F, Staszewski, Uziębło A K (2014) Forest floor vegetation response to nitrogen deposition in Europe. Global Change Biol. 20429-440. https//doi.org/10.1111/gcb.12440
  • Johnson J, Graf Pannatier E, Carnicelli S, Cecchini G, Clarke N, Cools N, Hansen K, Meesenburg H, Nieminen T M, Pihl-Karlsson G, Titeux H,Vanguelova E,Verstraeten A, Vesterdal L, Waldner P, Jonard M (2018) The response of soil solution chemistry in European forests to decreasing acid deposition. Global change biology, 24(8):3603-3619
  • Kranenburg R, Schaap M, Coenen P, Thürkow M, Banzhaf S (2024) PINETI-4 Modelling and assessment of acidifying and eutrophying atmospheric deposition to terrestrial ecosystems. UBA-Texte 130/2024, UBA, Dessau, 128 p
  • Krüger I, Sanders T, Holzhausen M, Schad T, Schmitz A, Strich S (2020) Am Puls des Waldes. Umweltwandel und seine Folgen – ausgewählte Ergebnisse des intensiven forstlichen Umweltmonitorings. BMEL, Berlin
  • Michel A, Haggenmüller K, Kirchner T, Prescher A-K, Schwärzel K, Wohlgemuth L (edS) (2024) Forest Condition in Europe The 2024 Assessment. ICP Forests Technical Report under the UNECE Convention on Long-range Transboundary Air Pollution (Air Convention). Eberswalde Thünen Institute, 96 p. https//doi.org/10.3220/ICPTR1732702585000
  • van Dobben HF, De Vries W (2017) The contribution of nitrogen deposition to the eutrophication signal in understorey plant communities of European forests. Ecology and Evolution 7:214-227. https//doi.org/10.1002/ece3.2485
  • UBA [Umweltbundesamt] (2014) Reaktiver Stickstoff in Deutschland. UBA, Dessau, 53 p
    Wellbrock N, Ahrends B, Bögelein R, Bolte A, Eickenscheidt N, Grüneberg E, König N, Schmitz A, Fleck S, Ziche D (2019) Concept and methodology of the national forest soil inventory. In Wellbrock N, Bolte A (edS) Status and Dynamics of Forests in Germany, Ecological Studies 237, Springer Open, Cham, pp. 1–28. https//doi.org/10.1007/978-3-030-15734-0_1
  • Wirth C, Bruelheide H, Farwig N, Marx J M, Settele J (Hrsg.) (2024) Faktencheck Artenvielfalt Bestandsaufnahme und Perspektiven für den Erhalt der biologischen Vielfalt in Deutschland. Oekom Verlag, München. https//doi.org/10.14512/9783987263361
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